Lars Schäfers | 04. Juni 2020

Sozialethischer Kommentar zum Konjunkturpaket

Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft „mit Wumms“ voranbringen

Erst hat er die „Bazooka“ gezückt, jetzt soll es „mit Wumms“ aus der Krise gehen – mit solch markigen Sprüchen die enormen Corona-Hilfsprogramme der Regierung zu beschreiben, scheint Bundesfinanzminister Olaf Scholz merklich zu gefallen. Kann aber auch das nun frisch geschnürte Konjunkturpaket Gefallen finden?

Mit der Wiederankurbelung der Wirtschaft soll auch deren ökologisch-soziale Transformation vorangehen: Diese Forderung wird berechtigterweise nicht allein von den Grünen gestellt. Gut katholisch können wir auf Basis unserer Soziallehre mit ihren bewährten Sozialprinzipien ebenfalls sagen: Wir brauchen nach der Coronakrise mehr Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. Und wenn man sich die 57 Maßnahmen auf den 15 Seiten des Papiers des Koalitionsausschusses von CDU/CSU und SPD einmal genau anschaut, kann man durchaus überrascht sein und sagen: Level 1 – mission accomplished.

Was geht ökologisch in die richtige Richtung? Die „Nationale Wasserstoffstrategie“, mehr E-Auto-Ladesäulen, modernere Airline-Flotten und das Fehlen der im Vorfeld kontrovers diskutierten Abwrackprämie sind hierbei u.a. als die wichtigsten Maßnahmen zu nennen.

Und was ist sozial am Konjunkturpaket? Die Senkung der Mehrwertsteuer, denn hiervon profitieren zwar grundsätzlich alle Konsumenten, Geringverdienende in Relation zu ihrem Einkommen aber am meisten. Auch die Entlastung der Stromkosten durch Deckelung der EEG-Umlage wirkt auf diese Weise. Wegen der hohen indirekten Steuern ist das deutsche Steuersystem unter Einbezug der Sozialabgaben – die durch das Konjunkturpaket bei 40% gedeckelt werden sollen – nämlich nur schwach progressiv. Stärkere Schultern schultern in Deutschland also nicht wesentlich mehr Steuerlasten als schwächere. Wegen der Regressivität der Mehrwertsteuer und auch wegen der vom Handel befürchteten teuren Umstellung für die Mehrwertsteuersenkung wäre deren Entfristung gerechtfertigt.

Auch der Familienbonus von 300 Euro ist zu würdigen. Er kommt zwar als ein Gießkannen-Geldregen auf die Familien herab, der beim Thema Grundrente manchen noch als rotes Tuch galt. Um Mitnahme-Effekte zu verringern soll der Bonus bei Gutverdienenden aber immerhin mit dem Kinderfreibetrag verrechnet werden, während Grundsicherungsempfänger aufatmen können, da der Bonus ihnen nicht angerechnet werden soll. Endlich wird diese für die Ankurbelung der Binnennachfrage durchaus wichtige Gruppe nun ebenfalls bedacht, der man doch beim Sozialschutz-Paket II noch nicht einmal 100 Euro Corona-Zuschlag auf die ohnehin schon sehr knapp bemessenen Grundsicherungsleistungen gönnte. Wer keine Kinder hat und Grundsicherung oder andere Sozialleistung bezieht, bleibt aber weiter außen vor.

Benjamin Bidder resümiert im Spiegel am Ende seiner Analyse des Konjunkturprogramms treffend: „Kanzlerin Angela Merkel hat eine ,mutige Antwort‘ auf die Krise versprochen. Tatsächlich ist das Konjunkturprogramm der Großen Koalition eine Überraschung – und zwar anders als im Falle des Klimapakets 2019 keine negative.“ Mit Recht und aller verbleibenden Desiderata und Defizite im Einzelnen zum Trotz kann es als ein „Kraftpaket“ bezeichnet werden. Hoffentlich werden dessen Wirkungen nicht enttäuschen, denn sie sind teuer erkauft.

Was bleibt darüber hinaus indes die Aufgabe der katholischen Soziallehre und christlichen Sozialethik? Das Wertegerüst der kirchlichen Soziallehre war nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit dem Ordoliberalismus eine wesentliche Quelle des Leitbildes der Sozialen Marktwirtschaft. Der erste Erfolg dieses ethisch fundierten Wirtschaftsmodells war das deutsche Wirtschaftswunder. Beim wirtschaftlichen Wiederaufbau der nächsten Zeit muss die Herausforderung bewältigt werden, ebenso das Soziale neu zu stärken und das Ökologische als drittes Element in dieses Erfolgsmodell noch stärker zu integrieren. Neu über das richtige Zueinander von Markt und Staat gemäß dem wegweisenden Leitbild der Ökologisch-Sozialen Marktwirtschaft nachzudenken, wird nach Corona demnach sicherlich eine der wichtigsten Aufgaben der christlichen Sozialethik und katholischen Soziallehre sein. Vielleicht und hoffentlich wird es dann irgendwann nach Corona ein zweites, ein im besten Sinne sozial-ökologisch geprägtes Wirtschaftswunder geben.

Der Verfasser

Mag. theol. Lars Schäfers ist Wissenschaftlicher Referent der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ) in Mönchengladbach sowie Wissenschaftliche Hilfskraft am Seminar für Christliche Gesellschaftslehre der Bonner Katholisch-Theologischen Fakultät.