Peter Schallenberg | September 2020

Fünf Jahre Laudato si‘

Ansätze zu einer „augustinischen“ Ökologie des Menschen

1. Von „Caritas in veritate“ (2009) zu „Laudato si‘“ (2015)

Die Sozialenzykliken der letzten Jahre, nämlich „Caritas in veritate“ 2009 von Papst Benedikt XVI. und „Laudato si‘“ 2015 von Papst Franziskus, plädieren für eine ganzheitliche menschliche Entwicklung auf dem Hintergrund eines integralen Humanismus und Personalismus, als Erbe von Jacques Maritain (1882-1973), eines Schülers des französischen Philosophen Henri Bergson (1859-1941)[1] (und Freundes von Papst Paul VI.), dessen Buch „Integraler Humanismus“[2] in der Zwischenkriegszeit den katholischen Dialog mit der Moderne nach den polemischen Auseinandersetzungen um den sogenannten „Modernismus“[3] anbahnte, und zwar unter expliziter Bezugnahme auf einen spezifisch christlichen Humanismus. Die beiden Enzykliken kritisieren auf diesem Hintergrund eine reduktionistische, vom pragmatischen Utilitarismus und von bloß technischer Vernunft geprägte Weltwirtschaftsordnung und suchen einen Ausgleich von individueller Autonomie und Gemeinwohl. Papst Franziskus betont wiederholt die Bedeutung einer integralen menschlichen Entwicklung und, in Anlehnung an seinen Vorgänger, die Relevanz einer „neuen Allianz zwischen Mensch und Erde“[4]. Damit setzt „Laudato si‘“ die Tradition der katholischen Soziallehre unter besonderer Bezugnahme auf die Ökologie des Menschen fort,[5] wie sie seit „Rerum Novarum“ (1891) in zahlreichen Enzykliken niedergelegt ist. „Laudato si‘“ greift den Gedanken eines christlichen Humanismus auf, den Benedikt XVI. vor allem in der Enzyklika „Caritas in veritate“[6] entfaltet, und ergänzt ihn durch einen explizit franziskanischen Hintergrund.[7] Der Ansatz eines solchen christlichen Humanismus steht ganz in der thomistischen Tradition eines christlichen Naturrechts und stützt sich dabei sowohl auf die platonische Philosophie als auch auf die augustinische Theologie und den Freiheitsbegriff der Theologie Bonaventuras. Schlüsselbegriff ist das spezifisch menschliche Begehren, in scholastischer Tradition: das desiderium naturale, also das der menschlichen Wesensnatur eigene und eigentümliche Streben nach Begehrtwerden und Begehren, das nach biblischer und christlicher Auffassung nur durch eine absolute überzeitliche Person, nämlich Gott, gestillt werden kann; es handelt sich um eine genuin christliche „Rückgewinnung des platonischen eros“.[8] Der Zweck (besser: das Ziel) der Natur des Menschen liegt nicht im langen Überleben, sondern im erfüllten Erleben, nämlich eines Erlebens von unausschöpfbarer Liebe. Kurz: Das Ziel der menschlichen Entwicklung ist unbegrenztes (daher absolutes) Begehrtwerden – durch Gott.

Beide Enzykliken befassen sich näherhin mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit und kritisieren aus dieser Sicht deutlich eine wenig egalitäre und stark konsumorientierte Weltgesellschaft, die von einer globalisierten Welthandelspolitik gefördert wird. Als Antwort darauf propagieren sie das Gemeinwohl und das sozialethische Prinzip der globalen Solidarität, um ein „öffentliches Gewissen“ zu fördern, das das „Grundrecht auf Leben“ garantiert.[9]

Das Ziel der beiden Sozialenzykliken ist das Gemeinwohl, verstanden modern und im Anschluss an Jacques Maritain als ganzheitliche menschliche Entwicklung jeder Person.[10] Zum ersten Mal in der katholischen Soziallehre werden die spezifischen Elemente der Schöpfung, wie etwa die Umwelt, als Objekte des Gemeinwohls betrachtet. „Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut, das allen gehört und für alle bestimmt ist. Auf globaler Ebene ist es ein komplexes System, das mit vielen der wesentlichen Bedingungen für das menschliche Leben verbunden ist.” Und weiter: „Die Menschheit ist aufgerufen, die Notwendigkeit einer Änderung des Lebensstils, der Produktion und des Konsums anzuerkennen, um diese Erwärmung oder zumindest die menschlichen Ursachen, die sie hervorrufen oder verschlimmern, zu bekämpfen.“[11] „Laudato si‘“ verortet den Ursprung einer falschen Beziehung zwischen Mensch und Schöpfung in einer fehlgeleiteten Marktwirtschaft. So warnt die Enzyklika vor „einer magischen Vorstellung vom Markt“[12] und argumentiert gegen „die Interessen eines vergöttlichten Marktes, der zur einzigen Regel wird“[13]; weil „der Markt allein keine integrale menschliche Entwicklung und soziale Integration garantieren kann.“[14] .Darüber hinaus macht „Laudato si‘“ den Überkonsum für aktuelle globale Probleme verantwortlich: „Der zwanghafte Konsum ist ein Beispiel dafür, wie sich das techno-ökonomische Paradigma auf den Einzelnen auswirkt.”[15] Es wird kritisiert, dass „die Märkte, die unmittelbar von den Verkäufen profitieren, eine immer größere Nachfrage stimulieren”[16]. Beide Enzykliken richten sich zunächst an den einzelnen Bürger, seiner Verantwortung als freier Mensch in der Welt entsprechend zu handeln. Der Christ insbesondere ist aufgerufen, in einer pluralistischen Gesellschaft und in einer säkularen Welt zu handeln, indem er das Denken und Handeln Christi (als Verkörperung des vollkommenen Menschen in seiner idealen Entwicklung hin zum Ebenbild des Vaters) nachahmt.

Um sich den aktuellen Herausforderungen in der Welt zu stellen, greift die Kirche auf eine reiche Tradition zurück. In diesem Fall bietet Augustinus und seine Rezeption des platonischen eros mit seiner Idee des ordo amoris, einer Ordnung der Liebe also, einen vielversprechenden Ansatz, der einen inspirierenden Beitrag zur Behandlung der in den beiden Enzykliken behandelten Themen enthält. Die individuelle Freiheit des Einzelnen und die Verantwortung für das Gemeinwohl müssen durch die Kombination von tugendhaften, an der Liebe orientierten Individuen, und dem politischen Handeln gleichgesinnter Bürger in einen engen Zusammenhang gestellt werden. „Laudato si‘“ spricht im Blick auf die ökologische Krise ausdrücklich von der Notwendigkeit, Liebe zur Grundlage zivilen und politischen Handelns zu machen: „Die Liebe voller kleiner Gesten gegenseitiger Achtsamkeit betrifft auch das bürgerliche und das politische Leben und zeigt sich bei allen Gelegenheiten, die zum Aufbau einer besseren Welt beitragen. Die Liebe zur Gesellschaft und das Engagement für das Gemeinwohl sind ein hervorragender Ausdruck der Nächstenliebe, die nicht nur die Beziehung zwischen den einzelnen Menschen angeht, sondern auch die ‚Makro-Beziehungen‘ – in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen. Darum schlug die Kirche der Welt das Ideal einer ‚Kultur der Liebe‘ vor. Die Liebe im sozialen Bereich ist der Schlüssel zu einer authentischen Entwicklung […]. In diesem Rahmen bewegt uns die Liebe im gesellschaftlichen Bereich, neben der Bedeutung der kleinen täglichen Gesten an große Strategien zu denken, welche die Umweltzerstörung wirksam aufhalten und eine Kultur der Achtsamkeit fördern, die die gesamte Gesellschaft erfüllt.“[17] Der hier ausgesprochene Gedanke kann sehr sinnvoll mit Augustinus’ Überlegungen zum ordo amoris in Bezug gesetzt und durch diesen vertieft werden. Der mit ordo amoris bezeichnete innere Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung für das Gemeinwohl aus Liebe kann auch als augustinischer Liberalismus bezeichnet werden und interpretiert den älteren Begriff des integralen Humanismus wie auch den ebenfalls älteren Begriff eines Ordoliberalismus. Dies verbindet sich konsequenterweise mit einer franziskanischen Theologie der Freiheit, die sich gerade bei ihrem bedeutendsten Vertreter Bonaventura und seiner Idee eines lebenslangen Pilgerweges der menschlichen Entwicklung hin zur vollkommenen Liebe[18] eng an augustinisches Denken anlehnt. Dass die Enzyklika nicht nur auf Grund des Namens ihres Verfassers deutlich den Geist franziskanischer Theologie und Spiritualität atmet ist ein weiterer guter Grund, warum es plausibel ist, die in „Laudato si‘“ entwickelten Überlegungen als Ausdruck eines augustinischen Liberalismus zu interpretieren.

2. „Laudato si‘“ und ein augustinischer Liberalismus

Ein solcher augustinischer Liberalismus vertritt die Auffassung, dass der Begriff der Liebe als normatives Prinzip für moralisch gutes politisches Handeln von Individuen innerhalb eines Rechtsstaates gelten kann. Liebe wird dabei im Sinne von amor als naturhaftes Streben jedes Menschen (aufgrund seiner Wesensnatur als Mensch) nach Freundschaft und Begehren und (modern und soziologischer gesprochen) Anerkennung[19] verstanden; im Sinne von caritas wird dann darüber hinaus das tugendhafte, höhere Streben des von Gott ergriffenen Menschen (aufgrund der in den Sakramenten empfangenen Gnade) nach selbstloser und hingebender Liebe in den Blick genommen. In dieser Sicht bildet Liebe den Horizont und das Ziel der Gerechtigkeit, die vor Unrecht, nicht aber vor Lieblosigkeit zu schützen vermag. Liebe (als unbedingte begehrende Bejahung der Existenz) ist die primäre Eigenschaft Gottes, der den Menschen als sein Ebenbild mit eben jener primären Eigenschaft begehrender und verantworteter Liebe ausstattet. Dahinter steht natürlich eine deutliche Vision von politischer Beteiligung als Ausdruck von christlicher Jüngerschaft.[20] Letztlich beweist der augustinische Liberalismus seine Relevanz vor allem im Lichte bioethischer und ökologischer Fragen aufgrund eines sich verändernden Verständnisses des Menschenbildes im Lichte der ursprünglich platonischen Unterscheidung von bios (Überleben) und zoé (gutes Leben).[21] Das Ziel der Person aus augustinischer Sicht ist die fortschreitende Heilung des menschlichen Selbst: Alles geschieht, damit die Seele geheilt werde vom Zwang zum Bösen, positiv gesprochen: befreit werde zur Fülle hingebender Liebe als unbedingtes Ja zur Existenz einer jeden anderen menschlichen Person.[22] Eine gerechte Gesellschaft wird die Voraussetzungen bereithalten, um die Fähigkeiten jeder menschlichen Seele zum Guten und zur Liebe hin nachhaltig zu entwickeln. Da frühe liberale Staatsdenker wie Hugo Grotius oder John Locke einen säkularen Staat ohne Bezugnahme auf Gott oder eine religiöse Begründung legitimieren wollten, bietet der augustinische Liberalismus einen Weg, christliche Theologie und säkularen Liberalismus im Blick auf die ganzheitliche Entwicklung der menschlichen Person zu versöhnen und neu zu verbinden, ohne dabei das Ideal der Autonomie menschlicher Staatsgestaltung verabschieden zu müssen.

Es geht mithin um den weiten Raum zwischen dem privat lebenden Individuum und den staatlichen Institutionen, zu denen auch sozialstaatliche Einrichtungen wie Sozialversicherungssysteme oder Bildungssysteme gehören. Scheinbar haben politische Theoretiker und politische Theologen aufgehört, über Liebe zu sprechen oder zumindest in der für eine Ethik des Liberalismus relevanten Weise über Liebe als politisch relevante Tugend zu sprechen. „Der springende Punkt ist, dass eine angeblich liberale Gesellschaft, die absolut davon ausgeht, dass sie über die Mittel verfügt, um unabhängig von den tatsächlichen moralischen oder spirituellen Verpflichtungen ihrer Bürger moralische Werte zu produzieren und aufrechtzuerhalten, Gefahr läuft, sich so zu verhalten und zu reden, als ob die einzige Art menschlicher Solidarität, die wirklich zählt, die des Staates wäre.”[23] Demgegenüber wird eine nachhaltige Solidarität der staatlichen Ordnung immer vorbereitet und ermöglicht durch eine Solidarität praktizierter Nächstenliebe im Raum der Zivilgesellschaft.[24] Daher sind die liberalen Hauptprinzipien der Freiheit und Gleichheit des Individuums wichtig und notwendig, aber keineswegs ausreichend für ein ganzheitliches menschliches Gedeihen in der Welt. Oftmals gilt die autonome Selbstliebe des Individuums als oberstes Prinzip der Entscheidungsfindung. In Form eines Kapitalismus ohne Adjektiv wird das individualisierte Eigeninteresse mit einer angeblich effizient wirkenden unsichtbaren Hand des Marktes als ausreichend für eine menschliche Entwicklung gesehen; ein solidarischer Blick auf schwächere Marktteilnehmer wird ausgeblendet oder bleibt der persönlichen Tugend des Almosens überlassen. Diese Form säkularer Freiheit reicht nicht aus, und diese Darstellung einer liberalen Gesellschaft vereinfacht den Begriff der Freiheit enorm und schmälert letztlich das christliche Verständnis der menschlichen Person.

Dies ist auch eine der in „Laudato si‘“ vertretenen Positionen, in denen der Blick allerdings über das in einem solchen Liberalismus grundgelegte defizitäre Verhältnis zum anderen Menschen hinaus um den Blick auf die damit zusammenhängende defizitäre Beziehung zur Umwelt erweitert wird. So spricht die Enzyklika in Anlehnung an den Sonnengesang des heiligen Franziskus immer von der „Schwester Erde“, um diese mit den notleidenden Brüdern zu parallelisieren und hält schon an ihrem Beginn fest: „Diese Schwester schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat. […] Darum befindet sich unter den am meisten verwahrlosten und misshandelten Armen diese unsere unterdrückte und verwüstete Erde.“[25] Dies wird auf eine Haltung des Vergessens zurückgeführt. „Man vergisst, dass ‚der Mensch […] nicht nur sich selbst machende Freiheit [ist]. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur.‘“[26] Er vergisst dabei die erste „Ur-Schenkung“ Gottes und damit die Grundlegung echter menschlicher Selbstwerdung: „Die echte menschliche Entwicklung ist moralischer Art und setzt die vollkommene Achtung gegenüber der menschlichen Person voraus, muss aber auch auf die Welt der Natur achten und ‚der Natur eines jeden Wesens und seiner Wechselbeziehung in einem geordneten System Rechnung tragen‘. Daher muss sich die Fähigkeit des Menschen, die Wirklichkeit umzugestalten, auf der Grundlage der ersten Ur-Schenkung der Dinge von Seiten Gottes entwickeln.“[27]

Aus demselben Grund, um die menschliche Freiheit auf die sie ermöglichende Ur-Schenkung hinzuordnen, plädiert ein augustinischer Liberalismus für ein christliches Verständnis von Liebe, um als drittes Hauptprinzip des demokratischen Liberalismus die Freiheit und die Gleichheit zu vervollständigen und so sowohl eine gute Ordnung des inneren Selbst als auch eine gute öffentliche Ordnung zu erreichen. Der garstige breite Graben zwischen kalter Gerechtigkeit und heiligmäßiger Liebe soll damit verkleinert und möglicherweise sogar überwunden werden. Kritisiert wird damit zugleich die Vorstellung einer ausschließlich rationalistischen und individualistischen Handlungsmotivation – auch hier auf einer Linie mit „Laudato si‘“. Die meisten Varianten des Liberalismus scheinen nicht in der Lage zu sein, die pluralistische Natur der sozialen Interaktion zu integrieren und damit die Konflikte zwischen Individuen und Institutionen zu schlichten. Daher muss der individuellen Komponente eine soziale Komponente hinzugefügt werden, um die zweifache menschliche Natur von Individualität und Sozialität besser widerzuspiegeln.

Ein augustinischer Liberalismus bezeichnet die Liebe als eine bürgerliche Tugend, die wiederum eine ehrgeizigere politisch-moralische Praxis fördern könnte. „Die augustinische Tradition legt nahe, dass die Liebe tatsächlich in richtiges politisches Handeln münden kann, dass die Liebe ein entscheidendes Element in der Politik ist, insbesondere im Zusammenhang mit der unvermeidlichen Ausübung politischer Autorität.“[28] Dies bedeutet die Förderung einer gerechteren und wohltätigeren Gesellschaft, die den praktischen Herausforderungen der Sicherung und des Schutzes der gemeinsamen Güter der Menschen als eines der Grundprinzipien der katholischen Soziallehre nachkommt: Personalität, Solidarität, Subsidiarität und Gemeinwohl. Damit wird die Reduktion der Politik auf eine staatszentrierte Regierungstätigkeit vermieden und die gemeinsame Teilnahme der Bürger am politischen Geschehen außerhalb der staatlichen Institutionen gefördert.

Diese Überlegungen konvergieren insbesondere mit der theologischen Argumentation der Enzyklika „Laudato si‘“, wie sie in ihrem zweiten Kapitel entwickelt werden. Dort wird unterstrichen, dass ein echter politischer Wandel im Blick auf den Schutz der Umwelt in der individuellen Bildung und Erziehung hin zu einem tugendhaften Leben wurzeln, aus denen sich allererst auf das Gute gerichtetes politisches Handeln entwickeln kann: „Die Existenz von Gesetzen und Regeln reicht auf lange Sicht nicht aus, um die schlechten Verhaltensweisen einzuschränken, selbst wenn eine wirksame Kontrolle vorhanden ist. Damit die Rechtsnorm bedeutende und dauerhafte Wirkungen hervorbringt ist es notwendig, dass der größte Teil der Mitglieder der Gesellschaft sie aufgrund von geeigneten Motivierungen akzeptiert hat und aus einer persönlichen Verwandlung heraus reagiert. Nur von der Pflege solider Tugenden aus ist eine Selbsthingabe in einem ökologischen Engagement möglich. Wenn jemand, obwohl seine wirtschaftlichen Verhältnisse es ihm erlauben, mehr zu verbrauchen und auszugeben, sich gewohnheitsgemäß etwas wärmer anzieht, anstatt die Heizung anzuzünden, bedeutet das, dass er Überzeugungen und eine Gesinnung angenommen hat, die den Umweltschutz begünstigen. Es ist sehr nobel, es sich zur Pflicht zu machen, mit kleinen alltäglichen Handlungen für die Schöpfung zu sorgen, und es ist wunderbar, wenn die Erziehung imstande ist, dazu anzuregen, bis es zum Lebensstil wird. Die Erziehung zur Umweltverantwortung kann verschiedene Verhaltensweisen fördern, die einen unmittelbaren und bedeutenden Einfluss auf den Umweltschutz haben […]. Etwas aus tiefen Beweggründen wiederzuverwerten, anstatt es schnell wegzuwerfen, kann eine Handlung der Liebe sein, die unsere eigene Würde zum Ausdruck bringt.“[29]

3. „Laudato si‘“ und ein effektiver Altruismus

Ein ganzheitliches menschliches Gedeihen in der Welt und mit der Welt kann nur erreicht werden, wenn persönliche Freiheit zusammen mit moralischer und rechtlicher Gleichheit durch das Gebot der Liebe, oder säkular: eines effizienten Altruismus, ergänzt wird: „Der effektive Altruismus beruht auf einer ganz einfachen Idee: Wir sollten so viel Gutes tun wie möglich. Die üblichen Regeln zu befolgen – nichts zu stehlen, zu betrügen, zu verletzen und zu töten – ist zu wenig, oder es ist zumindest nicht genug für Menschen wie uns…“[30] Gemeint ist eine Philosophie und eine soziale Bewegung, die Informationen und Energie darauf verwendet, herauszufinden, wie sich die Welt möglichst effektiv verbessern lässt. Hier ist noch nicht die Rede von den Motiven eines effektiven Altruisten; von Selbstaufopferung jedenfalls muss nicht die Rede sein; die Gerechtigkeit denkt von sich aus über das letzte Recht einer jeden menschlichen Person nach und wird auf den Begriff der absoluten Anerkennung und der umfassenden Entwicklung jeder menschlichen Person stoßen. Die Normativität der Liebe als politische Tugend beruht dabei auf drei Grundideen: der Notwendigkeit der menschlichen Existenz („volo ut sis“[31]); die Anerkennung aller Personen als intersubjektive, miteinander verflochtene Wesen in Beziehung zu Gott und den Mitgeschöpfen; schließlich die Fähigkeit zum Neuanfang, säkular: die Fähigkeit zu Verzeihung und Vergebung.[32]

Diese Grundideen können auch im theologisch zentralen zweiten Kapitel der Enzyklika „Laudato si‘“ entdeckt werden. Dieses Kapitel, das unter dem Titel „Das Evangelium von der Schöpfung“ steht, stellt direkt an seinem Anfang entsprechend der Grundidee des „volo ut sis“ darauf ab, dass „[d]ie Bibel lehrt, dass jeder Mensch aus Liebe erschaffen wurde, als Abbild Gottes und ihm ähnlich (vgl. Gen 1,26). Diese Aussage macht uns die unermessliche Würde jedes Menschen deutlich; ‚er ist nicht bloß etwas, sondern jemand. Er ist imstande […] über sich Herr zu sein, sich in Freiheit hinzugeben und in Gemeinschaft mit anderen Personen zu treten.‘ Der heilige Johannes Paul II. erinnerte daran, dass die ganz besondere Liebe, die der Schöpfer zu jedem Menschen hat, ihm eine unendliche Würde verleiht. Diejenigen, die sich für die Verteidigung der Menschenwürde einsetzen, können im christlichen Glauben die tiefsten Argumente für diese Aufgabe finden. Was für eine wunderbare Gewissheit ist es, dass das Leben eines jeden Menschen sich nicht in einem hoffnungslosen Chaos verliert […]! Der Schöpfer kann zu jedem von uns sagen: ‚Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen‘ (Jer 1,5). Wir wurden im Herzen Gottes ‚entworfen‘, und darum gilt: ‚Jeder von uns ist Frucht eines Gedanken Gottes. Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht.‘“[33]

Direkt im Anschluss stellt die Enzyklika sodann im Blick auf die biblischen Schöpfungsberichte heraus, und hierin der zweiten Grundidee der Anerkennung aller Personen als intersubjektive Wesen in Beziehung zu den anderen Menschen und allen Mitgeschöpfen entsprechend: „Diese Erzählungen deuten an, dass sich das menschliche Dasein auf drei fundamentale, eng miteinander verbundene Beziehungen gründet: Der Beziehung zu Gott, zum Nächsten und zur Erde.“[34]

Das Thema der Fähigkeit zum Neubeginn und zu verzeihender Vergebung durchzieht – hier der dritten Grundidee der politischen Normativität der Liebe entsprechend, wie sie den augustinischen Liberalismus auszeichnet – die ganze Enzyklika: „Ein Empfinden inniger Verbundenheit mit den anderen Wesen in der Natur kann nicht echt sein, wenn nicht zugleich im Herzen eine Zärtlichkeit, ein Mitleid und eine Sorge um die Menschen vorhanden ist. Die Ungereimtheit dessen, der gegen den Handel mit vom Aussterben bedrohten Tieren kämpft, aber angesichts des Menschenhandels völlig gleichgültig bleibt, die Armen nicht beachtet oder darauf beharrt, andere Menschen zu ruinieren, die ihm missfallen, ist offensichtlich. Das bringt den Sinn des Kampfes für die Umwelt in Gefahr. Es ist kein Zufall, dass der heilige Franziskus in dem Hymnus, in dem er Gott für dessen Geschöpfe preist hinzufügt: ‚Gelobt seist du, mein Herr, durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen.‘[…] Darum ist eine Sorge für die Umwelt gefordert, die mit einer echten Liebe zu den Menschen und einem ständigen Engagement angesichts der Probleme der Gesellschaft verbunden ist.“[35]

4. Gott und die Gerechtigkeit

Diese drei Grundideen sind die Voraussetzungen für den Aufbau einer augustinischen Ethik der demokratischen Staatsbürgerschaft, die bereits in einigen Verfassungen umgesetzt zu sein scheint, wie etwa in Artikel I des deutschen Grundgesetzes oder im berühmten Einleitungssatz der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung mit dem Hinweis auf die grundlegende Freiheit jeder Person, nach umfassendem Glück zu streben. Nur so wird anerkannt, dass irdische Politik nicht die tiefsten Sehnsüchte einer menschlichen Person oder Gemeinschaft erfüllen kann. Grundrechte und Demokratie sind eminent wichtig, auch wenn sie nicht die Erfüllung der Liebe sind, und daher im Vorhof der eigentlichen Sehnsüchte und letzten Rechte des Menschen verbleiben. Der Weg der ständigen und stetigen Entwicklung jeder menschlichen Person und ihrer Talente wird erst in der Ewigkeit zur Vollkommenheit vollendet.[36] Oder anders: Irdische Gerechtigkeit wird erst in einer Form nicht vollkommen selbstzentrierter Liebe vollendet.[37] Die angeführten Überlegungen der Enzyklika „Laudato si‘“ zeigen, welche Konkretheit eine so in der Liebe fundierte demokratische Staatsbürgerschaft gewinnt. Der amerikanische Theologe Ernest Fortin (1923-2002), inspiriert von den Gedanken des Augustinus über das gesellschaftliche Leben, resümiert so: „Man dient seinem Nächsten nicht, indem man ihn seinem Schicksal überlässt und sich ganz aus der Gesellschaft zurückzieht, sondern indem man sich für die Verbesserung dieser Gesellschaft einsetzt.”[38] Mit „Laudato si‘“ wäre dieser Gedanke auch explizit auf die ökologische Krise zu beziehen. Allgemeiner gilt aber: Veränderungen und Reformen, egal in welcher Frage, werden dann stattfinden, wenn der Einzelne beschließt, seine Entscheidung, in Tugenden zu handeln und seinen Willen auf Tugenden aufzubauen, zu begründen. Das bedeutet zweierlei: dass unsere innere Disposition unser Handeln bestimmt und dass freie Individuen, um frei und autonom handeln zu können, einen befreienden institutionalisierten Rahmen brauchen, der durch einen liberalen Rechtsstaat gewährleistet wird. Der freiheitliche Staat befreit die Individuen von systemischer und institutionalisierter Unterdrückung, um ihnen einen öffentlichen Raum zu schaffen, in dem sie nach ihrem Gewissen handeln können. Mit anderen Worten: Der augustinische Liberalismus reflektiert ebenso wie ein effektiver Altruismus und die Überlegungen in „Laudato si‘“ die Unterscheidung zwischen dem ethisch motivierten Individuum und einer ethisch zunächst desinteressierten, technokratisch und ökonomisch bestimmten Gesellschaft und wandelt das so genannte „Böckenförde-Diktum“ – „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“[39] – in eine politische Theologie und auch in eine politische Ökonomie um.[40]

Die so gewonnene Konzeptualisierung der Vorstellung von Staat und Wirtschaft in „Laudato si‘“ klärt auch, inwiefern theologisches Denken überhaupt einen sinnvollen Beitrag zu politischen, ökonomischen und damit zusammenhängenden ökologischen Fragen liefern kann, so dass Papst Franziskus formuliert: „Warum in dieses, an alle Menschen guten Willens gerichtete Dokument ein Kapitel aufnehmen, das auf Glaubensüberzeugungen bezogen ist?“[41] Eine Antwort auf diese Frage kann ein augustinischer Liberalismus liefern, da eine explizit theozentrische Interpretation der Ideen des Augustinus für eine gerechte Gesellschaft auf Erden möglich ist, wesentlich im Blick wieder auf die Gerechtigkeit, wie sie Augustinus in seinem großen Werk „De civitate Dei“ anspricht. Dort weist er darauf hin, dass es dem irdischen Staat (civitas terrena) nur um vorletzte und nicht um letzte Dinge geht. Es ist nicht zu erwarten, dass es in dieser zeitlichen Welt unter dem Einfluss von Sünde und Bösem einen vollkommenen Staat geben wird, der in der Lage ist, das Individuum mit ewigem Glück zu verbinden, das bleibt Utopie oder aber totalitär. Nur die je individuelle Verfolgung des Glücks (in den Worten der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung: pursuit of happiness) wird von der staatlichen säkularen Ordnung garantiert, nicht aber ein bestimmtes Glück jenseits materieller Sättigung, also ein Glück der unbedingten Liebe, des Begehrtwerdens ohne Grund, oder der bedingungslosen Freundschaft. Das aber muss dem christlichen Glauben und seiner Vision einer nicht nur gerechten, sondern vielmehr umfassend guten und besten Gesellschaft zu denken geben. Das Ziel des Staates besteht vor allem darin, gerechtere Rahmenbedingungen zu schaffen, die es autonomen Individuen ermöglichen, in einer von Unterdrückung freien Umwelt zu handeln und zu sprechen. Das Individuum kann aber nur dann zum Diener der Gerechtigkeit werden, wenn seine innere Disposition – der ordo amoris des Augustinus – richtig geordnet ist, und wenn er in der Lage ist, ein inneres Gleichgewicht von Vernunft und Leidenschaft aufrechtzuerhalten. Christlich zugespitzt: Um ein Diener der Gerechtigkeit zu werden, muss man zuvor ein Diener Gottes werden; säkular übersetzt: Um ein Diener der unbestechlichen Gerechtigkeit zu werden, muss man zuvor unbestochen von sich selbst sein. Das aber gelingt nach christlicher Überzeugung nur in der zumindest vorläufig gültigen Annahme einer höheren, vom eigenen Selbst unabhängigen und dieses stets zur Verantwortung ziehenden Instanz, die sich in religiöser Sprache Gott nennt. Freilich stammen Augustinus’ Ansichten über Gerechtigkeit und Gesellschaft eher aus seiner Analyse der Fähigkeiten und Grenzen der menschlichen Seele als aus seinem Denken über konkrete soziale und politische Strukturen. Es ist eine Metatheorie politischen Handelns. Am Anfang des gerechten Staates steht eine unbestechliche Liebe, die die Menschen einander entgegenbringen können. Der amerikanische Augustinusexperte Robert Dodaro interpretiert diesen Begriff der Liebe mit dem Begriff von Versöhnung und Vergebung, was in einer gerechten Struktur der Gesellschaft zum Ausdruck kommt, wenn er darauf hinweist: Wahre Liebe einer Gemeinschaft des Zusammenlebens erfordert ein gemeinsames Verständnis des Wesens der Versöhnung unter Individuen, die akzeptieren, dass die spirituellen Fähigkeiten von Menschen, nicht zuletzt die Vergebung von Destruktivität (Feindesliebe), das Wesen der bürgerlichen und politischen Tugenden ausmachen.[42]

5. Nach „Laudato si‘“ in eine nachhaltige Zukunft

Klimaschutz und Umweltverträglichkeit mögen vielleicht ungewohnte Themen der traditionellen Sozialethik und der katholischen Soziallehre sein, sie liegen aber ganz in der Richtung eines seit Papst Paul VI. angedachten integralen Humanismus. Dieser wird zu einer ganzheitlichen und nachhaltigen Ökologie erweitert und entfaltet. Wenn Gott Mensch geworden ist und seit der Himmelfahrt des Sohnes die menschliche Natur ein für allemal nach christlichem Glauben mit in die Dreifaltigkeit und in die Ewigkeit der Liebe des Vaters genommen ist, dann geht es eben in der christlichen Ethik nicht mehr nur um den Schutz und die Entfaltung der Natur des Menschen, um sein Wesen, sondern ebenso um den Schutz und die Entfaltung des Menschen in der Natur, in der Schöpfung Gottes. Entscheidend ist hier in der Tat der theologische Begriff der Schöpfung: Ruf und Frage Gottes zur ethischen Antwort und zur Verantwortung. „Wo ist dein Bruder Abel?“ und analog und in Anlehnung an den Sonnengesang des Franz von Assisi: „Wo ist deine Schwester, die geschaffene Welt?“

„Laudato si‘“ reflektiert diesen Zusammenhang ausdrücklich im Blick auf die alttestamentliche Erzählung von Kain und Abel, wie übrigens auch Augustinus in „De civitate Dei“ darauf zurückgreift, um das Verhältnis von staatlicher Ordnung und dem ordo amoris in der civitas Dei zu erhellen: „In der Erzählung von Kain und Abel sehen wir, dass die Eifersucht Kain dazu führte, das extreme Unrecht gegen seinen Bruder zu verüben. Das wiederum verursachte einen Bruch der Beziehung zwischen Kain und Gott, sowie zwischen Kain und dem Land, aus dem er vertrieben wurde. Diese Textstelle ist in dem dramatischen Gespräch Gottes mit Kain zusammengefasst. Gott fragt: ‚Wo ist dein Bruder Abel?‘ Kain antwortet, er wisse es nicht, und Gott beharrt: ‚Was hast Du getan? Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden‘ (Gen 4,9-11). Die Unachtsamkeit in dem Bemühen, eine angemessene Beziehung zu meinem Nächsten zu pflegen und zu erhalten, für den ich sorgen und den ich behüten muss, zerstört meine innere Beziehung zu mir selbst, zu den anderen, zu Gott und zur Erde. Wenn alle diese Beziehungen vernachlässigt werden, wenn die Gerechtigkeit nicht mehr im Lande wohnt, dann – sagt uns die Bibel – ist das gesamte Leben in Gefahr.“[43]

Ganzheitlich vom Menschen denken heißt, beide Fragen, die nach dem Bruder Abel und die nach der Schwester Erde, zu stellen und zu beantworten. Denn keine menschliche Person kann sich entfalten und zur Kenntnis von unbedingter und ewiger Liebe gelangen in einer verwüsteten Umwelt und in einem ruinösen Klima: Umweltschutz ist immer auch Personenschutz. Und dazu gehören dann so unterschiedliche Dinge wie der Schutz der Regenwälder am Amazonas, die Erforschung klimaneutraler Energieressourcen, die Würde der Kinder im produzierenden Gewerbe der Entwicklungsländer, die Menschenwürde und der Tierschutz in der verarbeitenden Fleischindustrie, wie auch gerechte Regeln einer Welthandelspolitik und eine an der Realwirtschaft orientierte Finanzpolitik. Aus diesem Anlass hat der Vatikan fünf Jahre nach der Enzyklika „Laudato si‘“ dikasterienübergreifend ein neues Dokument zur Vertiefung der ökologischen Thematik erarbeitet mit dem Originaltitel „In cammino per la cura della casa commune“: Auf dem Weg der Sorge für das gemeinsame Haus. Den roten Faden des Dokuments bilden dabei zwei grundlegende Fragen: Was kostet eine ganzheitliche Ökologie, und wieviel gewinnt man damit? Beide Fragen erwarten eine dringende Antwort, die ihrerseits wiederum eine vorausgehende moralische Entscheidung erfordert, die nicht einer rein technischen Vernunft überlassen werden darf. Eine Entscheidung nämlich für Anreize zur Liebe, zum Altruismus und damit zu mehr als nur zum Vertrauen auf eine ominöse unsichtbare Hand des Marktes, die angeblich die eigeninteressierten Individuen zum Gemeinwohl zusammenfügt,[44] auch wenn die Erfindung eines global anwachsenden Wohlstandes ohne Adam Smith und sein Modell eines interessenbasierten Kapitalismus nicht zu denken gewesen wäre:[45] Von Augustinus bis Hobbes war der selbstsüchtige Mensch der Erbsünde ein Problem, das im Diesseits entweder nach autoritärer Herrschaft oder nach Gewaltenteilung oder nach Kanalisierung durch soziale Interaktion in einer „commercial society“ im Modus des Austausches von Gütern und Diensten verlangte. Dies war zunächst hilfreich, sieht aber den Menschen letztlich reduziert auf eine Form sekundärer Sozialisation der bedürfnisorientierten Konsumgesellschaft. Dagegen steht eben ein integraler Humanismus und eine ganzheitliche Sicht menschlicher Entwicklung hin zu letztlich immateriellem Glück. Dies freilich verlangt kleine und kleinste Schritte der sozialethischen Entwicklungshilfe im Feld von Politik und Ökonomie. Ganz konkret etwa im Bereich der Finanzwirtschaft nennt das Dokument die Beschleunigung von „impact investment“, also von ethisch nachhaltigen Investitionen; die Vermehrung von Investments der Entwicklungsbanken in Verbindung zur Realwirtschaft unter besonderer Berücksichtigung der sozialeren Inklusion, nicht zuletzt mit Hilfe von Mikrokrediten in Entwicklungs- und Schwellenländern zum Aufbau eines ökonomisch effektiven Mittelstandes; schließlich die Schaffung und Erhaltung von effizienten Kontrollinstanzen für Finanzmärkte und Finanzinstitutionen mit Blick auf das Gemeinwohl und eine ganzheitliche menschliche Entwicklung. Eine integrale Entwicklung der Menschheit und jeder menschlichen Person wird nur ermöglicht durch einen veränderten ökonomischen und ökologischen Lebensstil.

Anmerkungen

1   Vgl. Jacques Maritain, De Bergson à Thomas d`Aquin. Essais de Métaphysique et de Morale, Paris 1947. Für wertvolle Hinweise danke ich Marius Menke und Stefan Gaßmann.

2   Jacques Maritain, Humanisme intégral. Problèmes temporels et spirituels d`une nouvelle chrétienté, Paris 1936.

3   Vgl. Otto Weiß, Aufklärung, Modernismus, Postmoderne. Das Ringen der Theologie um eine zeitgemäße Glaubensverantwortung, Regensburg 2017.

[4]   Benedict XVI., Pastoral Visit of His Holiness Benedict XVI. to Loreto, Homily. Sunday, 2 September 2007. http://www.vatican.va/content/

benedict-xvi/en/homilies/2007/documents/hf_ben-xvi_hom_20070902_loreto.html [10. Januar 2020].

5   Vgl. Wolfgang George (Hg.), Laudato si‘. Wissenschaftler antworten auf die Enzyklika von Papst Franziskus, Gießen 2017.

[6]   Vgl. Alois Baumgartner, Die Enzyklika „Caritas in veritate“ im Kontext der kirchlichen Sozialverkündigung, in: Jörg Althammer (Hg.), Caritas in veritate. Katholische Soziallehre im Zeitalter der Globalisierung, Berlin 2013, 29-40.

[7]   Vgl. Stefano Zamagni, Globalization: Guidance from Franciscan Economic Thought and „Caritas in veritate“, in: Faith and Economics 56 (2010) 81-109.

8   Vgl. Adam Peperzak, Das Begehren: Platon – Augustinus – Bonaventura, in: Tobias Schlicht (Hg.), Zweck und Natur. Historische und systematische Untersuchungen zur Teleologie, München 2011, 37-52, hier 38.

[9]   Benedikt XVI., Enzyklika „Caritas in veritate“ Nr. 27.

[10] Vgl. Peter Turkson, Integraler Humanismus und Wirtschaftsökologie. Überlegungen aus Anlass der Amazonas-Synode (Kirche und Gesellschaft Nr. 463), Köln 2019.

[11] Papst Franziskus, Enzyklika „Laudato si‘“ Nr. 23.

[12] Ebd. Nr. 190.

[13] Ebd. Nr. 54 (als Zitat aus Franziskus, Apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“ Nr. 56).

[14] Ebd. Nr. 109.

[15] Ebd. Nr. 203.

[16] Ebd. Nr. 55.

[17]  Ebd. Nr. 231.

[18] Vgl. Bonaventura, Pilgerbuch der Seele zu Gott (Itinerarium mentis in Deum), München 1961.

[19] Vgl. Axel Honneth, Anerkennung. Eine europäische Ideengeschichte, Berlin 2018; daneben auch ders., Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte, Frankfurt/M. 1992.

[20] Vgl. Jonathan Tran, Assessing the Augustinian Democrats, in: Journal of Religious Ethics 46 (2018) 521-547.

[21] Vgl. Martin G. Weiss, Bios und Zoé. Die menschliche Natur im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt/M. 2009.

[22] Augustinus, De vera religione III 4, 15: „Ut anima sanetur…“.

[23] Rowan Williams, Secularism, Faith and Freedom. Speech Given on 23 November 2006 at the Pontifical Academy of Social Sciences, Vatican City, in: Faith in the Public Square. London/New York 2012, 23-36, 32.

[24] Vgl. Heinz Bude, Solidarität. Die Zukunft einer großen Idee, München 2019.

[25]  „Laudato si‘“ Nr. 211.

[26]  Ebd. Nr. 6.

[27]  Ebd. Nr. 5.

[28] Charles Mathewes, The Republic of Grace. Augustinian Thoughts for Dark Times. Grand Rapids/Cambridge 2010, 148.

[29] „Laudato si‘“ Nr. 211.

[30] Peter Singer, Effektiver Altruismus. Eine Anleitung zum ethischen Leben, Berlin 2016, 11.

[31] Augustinus, In epistulam Ioannis ad Parthos tractatus VIII 10: „Denn du liebst in jenem nicht das, was er ist, sondern das, von dem du möchtest, daß er sei.“ Vgl. Benedikt XVI., Homilie zur feierlichen Amtseinführung (24. April 2005); AAS 97 (2005) 711: „Jeder von uns ist Frucht eines Gedankens Gottes. Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht.“

[32] Augustinus, De civitate Dei XII 20: „Initium ergo tu esset…“

[33]  „Laudato si‘“ Nr. 65.

[34]  Ebd. Nr. 66.

[35]  Ebd. Nr. 91.

[36] Vgl. Eric Gregory, Politics and the Order of Love. An Augustinian Ethic of Democratic Citizenship, Chicago/London 2008.

[37] Vgl. Paul J. Weithman, Augustine´s Political Philosophy, in: David Vincent Meconi / Eleonore Stump (ed.), The Cambridge Companion to Augustine, Cambridge 2014, 231-250.

[38] Ernest Fortin, Augustine and the Problem of Modernity, in: Classical Christianity and the Political Order, New York 1996, 146.

[39] Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: Recht, Staat, Freiheit. Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte, Frankfurt/M. 1991, 92-114, hier 112.

[40] Vgl. Luigino Bruni, La pubblica felicità. Economia civile e political economy a confronto, Milano 2018.

[41]  „Laudato si‘“ Nr. 62.

[42] Vgl. Robert Dodaro, Christ and the Just Society in Augustine, Cambridge 2004, 218.

[43]  „Laudato si‘“ Nr. 70.

[44] Vgl. Bas van Bavel, The Invisible Hand? How Market Economies have emerged and declined since AD 500, Oxford 2016.

[45] Vgl. Georg von Wallwitz, Mr. Smith und das Paradies. Die Erfindung des Wohlstands, Berlin 2013.

Der Verfasser

Msgr. Dr. Peter Schallenberg ist Professor für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät Paderborn und Direktor der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ) in Mönchengladbach.